Eine der für mich offensichtlichsten Gender-Fragen, die mir bisher niemand schlüssig beantworten konnte: Weshalb braucht es getrennte Toiletten für Frauen und Männer? Gewisse Argumente kann ich aus soziologischer Sicht noch halbwegs verstehen. Etwa, dass WCs soziale (Rückzugs-)Räume sind, die für ungestörte, geschlechtsspezifische Verrichtungen und Interaktionen genutzt werden (z.B. sich schön machen). Auch den Wunsch, sich auf dem doch recht intimen Toilettengang visuell, akustisch und olfaktorisch höchstens gegenüber Angehörigen des eigenen Geschlechts zu exponieren, kann ich nachvollziehen. Auch Sicherheitsaspekte haben für mich eine gewisse Plausibilität. Doch wohlgemerkt: Bei diesen Begründungen geht es um Toilettenanlagen, die sich von mehreren Personen gleichzeitig nutzen lassen. Bei Einzeltoiletten greifen sie nicht.
Auf den Zügen der SBB hat es nie etwas anderes gegeben. Als es in den vergangenen Jahren um die Beschaffung von neuem Rollmaterial ging, das nun nach und nach eingesetzt wird, begann das Unternehmen auf einmal, nach Geschlechtern getrennte WCs als Innovation zu feiern (z.B. hier). Offenbar gab es seitens der Kundschaft ein entsprechendes Bedürfnis. Mir bleibt schleierhaft, worin der Gewinn dieser Neuerung bestehen soll. Im Gegenteil: Müssen Reisende nun stur vor „ihrer“ Toilette warten, obwohl die andere frei ist?
Ich habe mal eine Kollegin auf das Thema angesprochen. Sie fand, sie habe keine Lust, auf verpinkelte Toiletten zu sitzen, nur weil Männer nicht absitzen könnten und es noch nicht einmal für nötig hielten, die WC-Brille hochzuklappen. Deshalb seien ihr getrennte Toiletten ganz recht. Das konnte ich gut verstehen. Und ich erwiderte meiner Kollegin, dass ich auch keine Lust hätte, auf verpinkelte Toiletten zu sitzen, nur weil Männer nicht absitzen könnten und es noch nicht einmal für nötig hielten, die WC-Brille hochzuklappen. Leider bringen mir getrennte Toiletten in diesem Fall nichts. Überdies haben mir Frauen auch schon erzählt, dass sie manchmal Spuren vorfänden, weil andere Frauen sich ekelten, auf öffentlichen Toiletten ganz abzusitzen. Das Hygieneproblem ist also nicht per se ein geschlechtsspezifisches Problem. Aber es ist ein Problem.
Nun ist es ja so, dass mit dem neuen Rollmaterial der SBB auf den Männertoiletten auch Pissoirs eingeführt werden. Wäre es da nicht naheliegend, zwischen Sitzpinkelnden und Stehpinkelnden zu unterscheiden, statt zwischen Frauen und Männern? Es ist nur eine Frage der Türschilder. Und es würde die Welt verändern.