Ich verstehe die Kultur und die Struktur eines Unternehmens als zwei Ebenen, die wechselseitig aufeinander einwirken. Veränderungen auf der einen Ebene haben demnach immer auch einen Einfluss auf die jeweils andere. Auf der strukturellen Ebene lässt sich viel bewegen, um die Life-Domain-Balance und die Chancengleichheit zu fördern, etwa mit flexiblen Arbeitszeitmodellen oder transparenten Lohnsystemen. Und vieles wird heute bereits getan. Solche Veränderungen hinterlassen auch Spuren in der Kultur eines Unternehmens. In meinen Augen ersetzen sie aber nicht die direkte Auseinandersetzung mit der Betriebskultur und dem Betriebsklima. Ich habe häufig strukturelle Massnahmen wirkungslos versanden sehen, weil der kulturelle Boden dafür nicht ausreichend bereitet war. Ich stelle mir das wie beim Kaffeemachen vor: Wenn mir mein Kaffee zu bitter schmeckt, kann ich zunächst einmal schauen, ob er zu fein gemahlen war, ob ich ihn zu lange gebrüht habe oder ob das Wasser zu heiss war. Ich kann das alles korrigieren, aber vielleicht bleibt mein Kaffee einfach bitter, wenn auch etwas weniger. Da kann ich mich fragen, ob mein Kaffee nach einer Tradition geröstet wurde, die dunkle Bohnen mit betont bitteren Noten hervorbringt. Dann ist nämlich die Röstkultur entscheidend, und ich kann das Ergebnis in der Tasse nur mehr bedingt beeinflussen, wenn ich versuche, den Kaffee anders zuzubereiten.
Als Kulturwissenschafter kann ich nicht genug unterstreichen, wie wichtig es ist, die kulturellen Rahmenbedingungen in einer Organisation mit zu berücksichtigen. Aus meiner Sicht muss sich ein Unternehmen mit seinen Werten und Normen befassen, wenn es wirksame und dauerhafte Veränderungen erzielen will. Das bedeutet zu untersuchen, wie beispielsweise die Themen Zusammenarbeit, Führung, Kommunikation, Leitbild oder auch der Umgang mit Wissen, Vertrauen, Fehlern und Konflikten kulturell geprägt sind. Es bedeutet letztlich auch, einen Wandel im Betriebsklima anzustossen.
Ein Gedanke zu “Klimawandel? Ja, gerne!”